In der Mitgliederversammlung am 14.02.2014 wurde auf Wunsch von Michael Berg einvernehmlich eine Umbesetzung des Vorstands beschlossen. Der Vorstand setzt sich seither folgendermassen zusammen:
Vorsitzender und Schatzmeister:
Sozialwissenschaftler, Entwicklungsfachkraft
Stellvertretender Vorsitzender:
Theologe, Sozialwissenschaftler
Stellvertretende Vorsitzende und Schriftführerin:
Übersetzerin, Entwicklungsfachkraft
Mitglied im Vorstand:
Künstler, Ausstellungsmacher
Verein:
Unser Verein befasst sich gegenwärtig mit den folgenden drei Tätigkeitsschwerpunkten:
Die aktuelle
Satzung von Run „Liemba“ e. V. finden Sie hier.
In Tansania wie Deutschland wird der Erhalt des Schiffs seit Jahren angeregt diskutiert. Die Liemba hat es dabei geschafft, auf die politische Tagesordnung zu gelangen. Gleichzeitig müssen viele Interessen unter einen Hut gebracht werden. Wie oft in solchen Fällen ist die bisherige Entwicklung einigen wenigen Personen zu verdanken, die den Anstoß gaben und, um im Bild zu bleiben, den Ball ins Rollen brachten. Darunter Bundespräsident a.D. Horst Köhler, daneben Michael Berg, Franz und Elisabeth Hiss sowie Hermann Josef Averdung. Doch beginnen wir chronologisch.
Berg ist seit vielen Jahren vom Liemba-Virus befallen. Den Ausschlag gab ein Dokumentarfilm, den er 2001 im NDR sah. Danach habe er viel recherchiert. 2008 endlich sei genug Geld beisammen gewesen, um eine erste Fahrt nach Tansania zu unternehmen und mit der Liemba zu reisen. Während eines Aufenthaltes in Kigoma und Umgebung knüpfte er Kontakte und erkannte die emotionale wie auch logistische Bedeutung des Schiffs als öffentliches Verkehrsmittel für die Menschen vor Ort. Zurück in Deutschland, lud Berg Mitarbeiter der Betreibergesellschaft MSCL Marine Services Company wie auch Kapitän Titus an den Bodensee ein, um mit ihnen gemeinsam die hiesige Schifffahrt in Augenschein zu nehmen - waren doch in punkto Wartung und Unterhalt durchaus Gemeinsamkeiten mit der Liemba vorhanden. In diesem Zusammenhang lernte Berg das Aachener Ehepaar Hiss kennen, das noch kurz zuvor mehrere Jahre lang als Entwicklungshelfer in Tansania tätig gewesen und mit der Geschichte des Schiffs vertraut war. Zufällig standen auch sie mit Bergs Gästen in Kontakt, und so wurde aus der Reise mit der tansanischen Delegation zum Bodensee, nach Berlin und Papenburg ein gemeinsames Projekt: die Sanierung und der anschließende Weiterbetrieb des Schiffs. 2009 erfolgte die Gründung der Initiative Run Liemba, 2012 deren Umwandlung in einen gemeinnützigen Verein, der aktiv den Dialog mit Wirtschaft und Politik sucht.
Horst Köhler rief während seiner Amtszeit die Initiative Partnerschaft mit Afrika ins Leben, in deren Rahmen Bundesländer und Institutionen angeregt wurden, über Kooperationsprojekte in Afrika nachzudenken. Nicht einfach nur nachdenken, sondern machen, hieß es sogleich in Hannover. „Für Niedersachsen erfolgte die Weichenstellung zum Engagement durch den damaligen Bundespräsidenten“, bestätigt Heinz Davidsohn, Leiter der Abteilung Europa und Internationales bei der niedersächsischen Staatskanzlei. Im Fahrwasser der einstigen Verbindung Papenburg - Kigoma reisten 2010 und 2011 Delegationen mit Vertretern von Staatskanzlei und MEYER WERFT nach Tansania, um die Liemba in Augenschein zu nehmen und zu prüfen, ob sich das Schiff für ein Partnerprojekt eignen könnte. Das tat es offensichtlich, die Zukunft der Liemba rückte ins Zentrum politischer Überlegungen in Berlin und Hannover.
Parallel wurden im Auswärtigen Amt sowie im BMZ, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Weichen gestellt. Ein vom BMZ bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau beauftragtes Gutachten würdigte die Bedeutung der Binnenschifffahrt für die Anrainer am See, nicht jedoch die Liemba selbst, die „eine Kandidatin für das Schiffsmuseum“ sei. Wenn überhaupt, müsse die Sanierung Sicherheitsstandards berücksichtigen, wie sie für neue Schiffe auf hoher See gelten. Ferner wurden haushaltsrechtliche Aspekte vorgebracht, vor allem die vom BMZ definierten Eckpunkte der Zusammenarbeit zwischen Tansania und Deutschland, Themen wie Good Governance und Wasserwirtschaft. Von Infrastrukturmaßnahmen ist dort keine Rede.
Die niedersächsische Staatskanzlei holte sich daraufhin Verstärkung in Gestalt von Bundeskanzleramt und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ins Boot, letzteres immerhin zuständig für Binnenschifffahrt. Dessen Einschätzung fasst Davidsohn so zusammen: „Es gibt keine zwingende Veranlassung, für Schiffe auf dem Tanganjikasee die gleichen Anforderungen zu stellen wie für die hohe See. Es macht keinen Sinn, für einhundert Jahre alte Schiffe die gleiche Sicherheitstechnik zu verlangen wie für neue. Das geschieht auch in Deutschland nicht.“ Die MEYER WERFT, so Davidsohn weiter, habe zur Versachlichung beigetragen und ein Sanierungskonzept erarbeitet, das auch unter sicherheitsrechtlichen Aspekten begrüßt werde.
Einer, der die MEYER WERFT in- und auswendig kennt und den Zustand der Patientin persönlich begutachtet hat, ist Jochen Zerrahn. Ein halbes Jahrhundert war er für das Unternehmen tätig, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung, zuständig für Produktion, Logistik und Personal. Seit seiner Pensionierung im Jahr 2005 steht er der Werft für besondere Aufgaben zur Verfügung. Zerrahn hat den Zustand der Liemba persönlich begutachtet. Die Stabilität des Schiffs und ihre kompetente Besatzung erwähnt er lobend. Eine Sanierung vor Ort hält er für technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll. DANIDA habe es in den Neunzigern vorgemacht. 6-8 Mio. Euro veranschlagt die MEYER WERFT an Sanierungskosten.
Davon ließ sich ein Unternehmen nicht abschrecken und gab frühzeitig Schützenhilfe. HeidelbergCement, die deutsche Muttergesellschaft der Tanzania Portland Cement Company, dem größten Zementproduzenten Tansanias, ging in die Offensive und erklärte im Februar 2012, „sich mit einem Betrag zwischen 500.000 und 2,5 Mio. Euro an einem privaten Fonds zur Modernisierung der Liemba zu beteiligen“, sofern sich weitere Unternehmen anschlössen. Das Schreiben, unterzeichnet vom Unternehmensvorstand Daniel Gautier und adressiert an den Präsidenten der Deutschen Afrika Stiftung, Hartwig Fischer, wurde im Rahmen eines Parlamentarischen Abends am 9. Februar 2012 verlesen. Seine Exzellenz Ahmada R. Ngemera, der tansanische Botschafter, wohnte dem Moment bei.
Leider ist die Liemba aber weder ein deutsches Schiff, noch verkehrt es auf deutschen Gewässern. Am Steuer stehen die MSCL Marine Services Company als Betreiber sowie die tansanische Regierung als Eigentümer. Zwar lag zu diesem Zeitpunkt den deutschen Behörden gemäß diplomatischen Gepflogenheiten ein offizielles Hilfegesuch vor, Fragen an die Betreiber nach den Eckdaten der gewünschten Sanierung, der Gestaltung der Fracht- und Passagierbereiche blieben jedoch unbeantwortet.
Kurze Zeit später, als in Hannover noch um den Einsatz deutscher Budgethilfe geworben wurde und Run Liemba ein Public Private Partnership ins Gespräch brachte, machte Tansania im April 2012 Nägel mit Köpfen. Im Protokoll einer Konsultationsrunde zur Gestaltung der bilateralen Entwicklungskooperation, die zwischen Vertretern des BMZ und der tansanischen Regierung in Dar es Salaam stattfand, wurde festgehalten: „The Tanzanian Government confirmed that it would use its own financial resources to ensure naval traffic on Lake Tanganyika including General Budget Support or other means.”
Die diplomatische Dimension des Protokolls erläuterte Heinz Davidsohn von der niedersächsischen Staatskanzlei: „Da tut sich nichts mehr. Das Protokoll ist eindeutig. Tansania kümmert sich selbst um die Sanierung der Liemba und braucht keine deutsche Hilfe. Darauf beruft sich das BMZ, zu Recht.“
In der niedersächsischen Staatskanzlei wird das Feld dennoch weiter beackert. Vorausschauend wurde die Sanierung der Liemba als Teil eines europapolitischen Konzepts definiert, um sogleich über die Akquisition von EU-Mitteln nachzudenken. Parallel dazu wird über den Tellerrand hinausgeschaut. Richtig, das Protokoll der Konsultationsrunde von Dar es Salaam sei für die deutsche Regierung bindend, nicht jedoch für die deutsche Privatwirtschaft, so Davidsohn. Dementsprechend habe sich der niedersächsische Ministerpräsident schriftlich an MAN und Siemens gewandt. MAN könnte sich um die Motoren kümmern, Siemens um Elektrik und Elektronik, die MEYER WERFT schließlich als technischer Berater dienen sowie ein Engagement der unternehmenseigenen Ausbildungsakademie für ein duales Ausbildungsprogramm lokaler Fachkräfte in Aussicht stellen.
Siemens hat abgelehnt, MAN positionierte sich zurückhaltend positiv. Das tansanische Transportministerium wagte sich hingegen aus der Deckung und hat eine offizielle Einladung an ein deutsches Expertenteam, bestehend aus MEYER WERFT und Germanischer Lloyd, ausgesprochen, welches das Schiff begutachten soll.
Auf diesem Weg könnte die Instandsetzung der Liemba vielleicht doch noch ein Aushängeschild für „Made in Germany“ werden, eine „privat-öffentliche Partnerschaft mit deutscher, tansanischer und europäischer Beteiligung“, zumal sich zwischenzeitlich auch die dänische DANIDA gemeldet habe, um eine erneute finanzielle Beteiligung zu prüfen. Sollte sich allerdings neben HeidelbergCement kein weiteres Unternehmen finden, das die Sanierung finanziell unterstützt, dürften die Tage des Schiffs gezählt sein. Denn der Zustand des Schiffs hat sich zwischen 2008 und 2011 signifikant verschlechtert.
Dementsprechend verfolgte Hermann Josef Averdung einen gänzlich anderen Ansatz. Auch dem Vorsitzenden des Papenburger Wirtschafts- und Tourismusausschusses liegt die Liemba am Herzen, seit Jahren ist er von ihrer Geschichte fasziniert. Die Liemba müsse an den Ort seiner Entstehung, nach Papenburg, zurückgeholt werden. Der von Averdung im Jahr 2011 gegründete Förderverein Graf Götzen Rückholung e.V. wollte das auf rund 3,5 Mio. Euro geschätzte Vorhaben umsetzen. Mit Unterstützung privater Sponsoren.
Das Schiff sollte als Touristenattraktion im Museumshafen liegen. Bei 150.000 Besuchern, die Papenburg jedes Jahr anziehe, und fünf Euro Eintritt sei das realistisch und finanzierbar. Der Partner für die technische Umsetzung, die einstige Beluga Werft, ist allerdings aus Insolvenzgründen abhanden gekommen. Andere Unternehmen, die eine solche Aufgabe übernehmen könnten, sind nicht in Sicht. Das Vorhaben wäre anspruchsvoll. Anders als 1913 lässt sich die Liemba heute nicht mehr einfach in 5.000 Kisten stecken. Sie müsste auseinandergeschnitten und erneut via Mittellandbahn auf die Reise geschickt werden, obwohl die altersschwache Bahnstrecke längst nicht mehr für Transporte dieser Art zu gebrauchen ist. Doch Averdung lässt sich nicht aus der Bahn werfen. Immer hart am Wind, hat er 2013 einen neuen Schlachtplan medial verkündet.
Die Rückholung sei gar nicht nötig, das Schiff könne in halber Größe nachgebaut werden. Als Liegeplatz für den Nachbau böte sich der Papenburger Hauptkanal an, in Sichtweite der alten MEYER WERFT, genau dort, wo die Goetzen einst gefertigt wurde. Ob der Kanal groß genug sei, um ein Schiff dieser Größenordnung unterzubringen, müsse geprüft werden. Ebenfalls offen sei die Frage der Finanzierung. Etwa 2,5 Mio. Euro soll die Bonsai-Liemba kosten. Wenn alles glattgeht, könnte die Goetzen II eine Papenburger Touristenattraktion werden.
Von einer Sanierung vor Ort ist Averdung nach wie vor nicht überzeugt. Wer soll das machen? Und vor allem wie, bei stundenweiser Stromversorgung? Unrealistisch sei das. „Rausgeschmissenes Geld“, erklärt der Unternehmer, sobald er gefragt wird. „Wenn die Liemba in Kigoma bleibt, ist sie dem Verfall preisgegeben.“
Davidsohn sieht das anders: „Averdungs gesammelte Millionen wären bei der echten Liemba sehr viel besser investiert.“ Das findet auch Run Liemba. Die Instandsetzung des Schiffs sei aufgrund der deutsch-afrikanischen Geschichte ein einzigartiges Vorhaben. „Wenn dieses Projekt richtig durchgeführt und zukünftig engagiert betreut wird, kann man durchaus von einem Aushängeschild für die deutsche Entwicklungshilfe sprechen“. Was genau damit gemeint ist, steht in einem Positionspapier des Vereins, das die Beteiligten im Sanierungskampf und die Eckdaten der notwendigen Arbeiten auflistet. Neun Stichpunkte, die es in sich haben. Nicht allein Sanierung und Erneuerung von Schiffskörper, Motoren, Innenausbauten, Sicherheits- und sonstigen elektrischen Anlagen werden adressiert. Nein, Run Liemba denkt weiter und befindet, dass Betriebskonzepte technisch und wirtschaftlich weiterentwickelt, Anlegestellen und Häfen ausgebaut, duale Ausbildungsprogramme für notwendige Berufszweige etabliert werden müssen, um nicht nur die Instandsetzung zu realisieren, sondern auch eine regelmäßige Wartung.
Ein wichtiges Detail der Sanierungsfrage bleibt allerdings unbeantwortet. Wer nimmt das Ruder in die Hand? Wer ist in der Lage, die verschiedenen Kräfte zu bündeln und ihnen eine Richtung zu geben? Wer steuert die Liemba durch die Untiefen der notwendigen Sanierung in ein neues Jahrhundert?
…
Die ganze Geschichte über die Schiffslegende und ihre Wegbegleiter, über Mythen, Märchen und den turbulenten Alltag rund um die Liemba, ehemals Goetzen, erzählt das Buch zum Schiff: